(#) ~m-a-k-t-u-b~ - a perception machine

Ursprünglich unter der Domain http://www.m-a-k-t-u-b.com zwischen 2001 und 2003 online, ist das Projekt hier erneut abrufbar: weiter (neues Browserfenster)

Eingereicht zum Internationalen Medienkunstpreis Karlsruhe 2002 / mehr hier und hier


Über ~m-a-k-t-u-b~:
Den Hintergrund dieser einfachen Versuchsanordnung bildet einerseits die Frage nach der menschlichen Wahrnehmung und andererseits der detektivische Wunsch, ihre Muster sowie ihre kulturelle und mediale Prägung (um nicht zu sagen: Lenkung) zu entlarven. Die Arbeitshypothese lautet: Wie ein Mensch auf einen Stimulus reagiert, sagt eher etwas über den Menschen - dessen Wertvorstellungen, Glaubenssätze und Gewohnheiten - aus, als über den Stimulus selbst.

Was ist "wahr" an der "Wahrnehmung"?
Gibt es eine einzige Wahrheit oder besitzt jeder einzelne Mensch eine eigene?
Welchen Quellen der eigenen Wahrnehmung kann man vertrauen?
Wie entsteht Erkenntnis?
Wie "schuldig" oder "unschuldig" ist die Sprache - und wie "unschuldig" oder "schuldig" sind Bilder?

Außerdem war es für mich interessant, ein kleines Praxistool zu erfinden, um die Aussagekraft der Rezeptionsästhetik, speziell der Konstanzer Schule rund um Jauß und Iser, auf spielerische Weise auf den Prüfstand zu stellen.

Zwei Begriffe bilden den Rahmen der Arbeit: "maktub" und "mutabor". "Maktub" bedeutet im Arabischen soviel wie "es steht geschrieben". Das Lateinische "Mutabor" kann mit "Ich werde verwandelt werden" übersetzt werden und man kennt es als Zauberspruch aus dem Märchen "Kalif Storch" von Wilhem Hauff.
Mich interessiert dabei die Dynamik, die durch das Spannungsfeld zwischen den beiden Bedeutungsebenen, also Beharrung und Veränderung, entsteht und die den Rahmen der Versuchsanordnung bilden.

Der User klickt auf das Würfelsymbol (=mutabor) und setzt damit einen Prozess in Gang, der nach dem Zufallsprinzip kurze Textphrasen mit Bildern kombiniert. Die Bedeutungszuweisung erfolgt durch den Rezipienten. Mit anderen Worten: Ob das Ergebnis für den User Sinn ergibt oder nicht, liegt in der Eigenverantwortung des Benutzers.




Meldung der Austria Presse Agentur vom 1.7.2003: "Was wir wahrnehmen, ist nicht immer wahr"


Was wir wahrnehmen, ist nicht immer wahr =

Salzburg (APA) - "Wir täuschen uns, wenn wir glauben, wir täuschen uns selten. Wir täuschen uns ständig und systematisch." Rainer Wolf, Dozent am Biozentrum der Universität Würzburg, ist Spezialist für die menschliche Wahrnehmung.

Bei einem Vortrag an der Universität Salzburg versuchte er, dem Auditorium "Denkzeug" mit auf den Weg zu geben, damit man wenigstens weiß, dass man sich täuscht.

Unsere Wahrnehmung spielt uns permanent ein Schnippchen. "Was wir wahrnehmen, ist nicht immer wahr", sagte Wolf und veranschaulichte das an Hand eines Experimentes. Zwei kleine schwarze Quader - einer etwa doppelt so hoch wie der andere - mussten mit einer Hand gemeinsam aufgehoben werden. Danach sollte der kleinere Quader allein angehoben werden. Die Verblüffung war perfekt: Die beiden Klötze zusammen erschienen leichter, als der Kleinere allein.

Man könne sich auf seine Wahrnehmungen nicht immer verlassen, machte Wolf deutlich. Und er zeigte auch auf, warum das so ist: Wahrnehmung hängt von vielen unbewussten kognitiven Entscheidungen, Erwartungen und Schlussfolgerungen ab. Wenn es um Wahrnehmung geht, ist das Gehirn ungeheuer kreativ: Es wird zensiert, erfunden, umdatiert, getäuscht. "Die Wahrnehmung ist eine aktive, mentale Rekonstruktion der realen Welt, die uns umgibt", sagte Wolf. Das Sehsystem mache sich ein selbst gefertigtes Modell von der Welt.

In der Praxis heißt das, dass man für manche Dinge blind ist oder Dinge so sieht, wie man sie erwartet. So kann die Farbe Grün vom Auge nur im mittleren Sechstel des Sehfeldes wahrgenommen werden. Blickt man auf eine Wiese, so ziehe das Gehirn aus seinem Wissen über das Aussehen der Grashalme den Schluss, dass die gesamte Wiese grün ist und fülle die Sehwelt mit Farbe aus, erläuterte Wolf. Die Seh-Erfahrung beeinflusse die Wahrnehmung. Es gebe Korrekturmechanismen im Gehirn, Wahrnehmung werde zensiert und zurechtgerückt, weiß der Experte.

Das Experiment mit den Quadern - der Kleine aus Blei und der Größere aus leichtem Balsaholz - lässt sich übrigens einfach erklären: Weil man der kleinere Klotz schmäler ist, drückt man fester zu. Das Gehirn meldet: Der Gegenstand muss schwerer sein. Doch auch mit diesem Wissen ausgestattet, bleibt das Phänomen gleich: Der kleinere Quader wird als schwerer empfunden als beide zusammen.